Gespräch mit dem Bürgermeister Manolis Kalopsikakis

Das Gespräch haben wir am 18.9.06 in Archanes im 'Proedrio' geführt, kurz vor den Kommunalwahlen, zu denen M.Kalopsikakis nicht mehr für das Bürgermeisteramt kandidierte. Er unterstützte den neu gewählten Bürgermeister und ist weiterhin Mitglied des Gemeinderates.

Die Archanes-Website pinakas.de begrüßt er. Photos und Texte von der offiziellen Webseite der Gemeinde dürfen gern hierher übernommen werden. Demnächst ist eine Übersetzung der offiziellen Seite ins Englische und Deutsche geplant, wenn die soweit ist, wird pinakas.de dort auch verlinkt.



AW: Archanes ist in den knapp 30Jahren, in denen ich es kenne, immer schöner geworden und gilt als besonders gut erhaltenes, gepflegtes Dorf. Wie wurde das erreicht?

MK: Viele haben dazu beigetragen. Wir sagen ‚Archanes ist ganz vorne mit dabei, im Krieg wie im Frieden’. Wir haben uns an verschiedenen EU-Programmen zur Dorfentwicklung und -wiederherstellung beteiligt und konnten so die Entwicklung steuern. Man sieht das auf den ersten Blick am Dorfbild, zum Beispiel an den Ladenschildern, an den Türen, die aus Holz sein müssen oder wenigstens an das Haus angepasst, an den Dächern, wo wir bei Neubauten Dachziegel vorschreiben können, sonst gibt es keinen Stromanschluss. Zu Beginn gab es dafür jeweils finanzielle Zuschüsse bis zu 60% von der EU. Natürlich waren nicht alle gleich einverstanden, es gab zu Anfang einige Widerstände bei den Archanioten, aber jetzt gefällt es ihnen. Sie bringen selbst Ideen ein und sind recht aktiv.

KAPI
Eine wichtige Rolle spielt dabei ‚KAPI’ - Κέντρo Ανοιχτής Προστασίας Ηλικιωμένων - das ‚Zentrum für offene Altenarbeit’. Die sind sehr aktiv und arbeiten generationsübergreifend: so haben sie eine Ausstellung zu alten Berufen gemacht - zu alten Männerberufen, die Frauenberufe stehen noch aus. Sie archivieren Photos alter Trachten, alten Schmucks und geben Publikationen dazu heraus.

Veröffentlichungen
Der Dimos hat 25 Bücher veröffentlicht, zum Teil in Kooperation mit KAPI und dem Volkskundemuseum. Demnächst wird es eine CD-Rom über die natürliche Umgebung von Archanes geben. Auch einige der EinwohnerInnen forschen und veröffentlichen.


Dimarcheio - Rathaus von Archanes im Stadteil Synoikosmos und das Bürgermeisterbüro.

Wo geht die weitere Entwicklung hin?

Archanes wächst, wir haben Bevölkerungswachstum und Zuzüge. Die Infrastruktur wird weiter ausgebaut. An der Strasse von Kato nach Ano Archanes wollen wir demnächst arbeiten. Wir sind schon recht weit gekommen bei Kanalisation, Strom und Wasser; bis 2007 ist jedes Haus an Kanalisation und Wassernetz angeschlossen.

Monopati Jouchtas – Jouchtas Pfad
Wir planen ein neues EU-Programm „Exypono Chorio“ („Intelligentes Dorf“) und wollen vor allem für die Umgebung etwas tun. Geplant ist ein archaeologischer und Naturpfad 'Monopati Jouchtas', bei dem wir den minoischen Weg von Knossos bis zum Gipfelheiligtum auf dem Jouchtas herrichten wollen. Wir beachten dabei sowohl die endemischen Pflanzen am Jouchtas, ökologische Aspekte, wie auch die anderen minoischen Stätten Fourni, Anemospilia. Zunächst wird eine Studie erstellt, dann der Weg erschlossen. Auf dem Gelände des ehemaligen Hotels Dia im Süden von Archanes richten wir gerade ein Informationszentrum dazu ein.

Trauben und Oliven
Die Landwirtschaft bleibt unser Haupterwerbszweig. Die Qualität unserer Trauben und Oliven ist gut, die Menge stimmt. Aber die Preise fallen: vor 3 Jahren bekamen die Weinbauern  0,50€ pro Kilo Trauben für Wein, jetzt nur noch 0,12€. Etwas besser sieht es bei Tafeltrauben aus. Unser Hauptabnehmer ist Deutschland, ein bisschen liefern wir auch nach England.
Die Gemeinde unterstützt die Bauern, sie hilft vor allem bei der Bewässerung, beim Brunnenbau. 170 unserer Bauern beteiligen sich an einem EU-best-practise-Programm, um ein Vorstadium zum biologischen Anbau umzusetzen. Der biologische Anbau hat durchaus eine Zukunft.
Wir können auch Unternehmen unterstützen, mit denen Bauern einen Nebenverdienst erzielen, sodaß sie Bauern bleiben können, z.B. eine Taverne, eine Pension.

Zum Glück haben wir kein Meer!
Der Tourismus ist auch eine Perspektive. Jetzt haben wir 300 Betten in der Umgebung, früher waren da nur Orestis und die Zimmer bei Kostoula. Zugegeben, die Übernachtungspreise sind noch recht hoch, aber das wird sich regulieren. Im nächsten Jahr wird eine neue Anlage eröffnet. Aber so wie Chersonissos und Malia werden wir nicht. Zum Glück haben wir kein Meer! Wir setzen auf einen Qualitätstourismus, der zum Ort passt und überschaubar ist. Wir sind interessant für den Ökotourismus, für die, die sich für die Ausgrabungen interessieren und für Besucher von Kongressen. Für die richten wir im Dia ein ‚Amfitheatro’ ein. Und dann haben wir noch die Studierenden der ‚Offenen Universität’, die hier bei ihrem Fernstudium ein Zentrum für ihre Präsenzvorlesungen haben.


Man sieht auch Zuwanderer in Archanes.

Wir brauchen Arbeitskräfte.
Bei den Akademikern haben wir Arbeitslosigkeit, aber Ungelernte sind gesucht. Ca. 350 Zuwanderer leben in Archanes legal und mit Papieren, Einzelne und Familien. Die meisten sind aus Albanien, ein paar aus Russland mit griechischer Herkunft, wenige aus anderen osteuropäischen Ländern. Das klappt ganz gut. Wir bieten einmal wöchentlich Beratung an, die Leute haben sich aneinander gewöhnt, die Kinder gehen in die Schule. Letztes Jahr war bester Schüler und Fahnenträger bei der Parade ein Junge aus Albanien. Das ist doch gut so, wir haben damit keine Probleme und machen keine Probleme wie woanders.


Welche Probleme stehen denn zur Zeit im Vordergrund?

Wildwuchs und Staus
Wir brauchen dringend einen Entwicklungsplan und Bauplan und arbeiten auch daran. Jetzt gibt es viel Wildwuchs beim Bauen. Die Zersiedlung ist ein Problem und der Verkehr. Die Straßen sind schmal, es gibt wenig Parkplätze, dabei haben wir 3000 – 4000 Autos im Dorf. Die Gemeinde kauft leere Grundstücke auf und richtet dort Parkplätze ein und die neue Umgehungsstraße unten am Fluss wird hoffentlich Entlastung bringen. Bis dahin haben wir Staus, z.B. bei Hochzeiten. Und wir haben kein Polizeirevier mehr in Archanes, also auch keine Polizei, die das regeln würde.


Eigentlich wirkt Archanes nicht wie ein Dorf, eher wie eine Kleinstadt.

In der Stadt bist du ein Xenos, ein Fremder. Im Dorf nicht.
Bloß nicht! Wir sind ein Dorf! In der Stadt bist du ein Fremder, im Dorf bist Du nicht fremd. Die Leute sind freundlich hier. Zu unseren Hochzeiten kommen 1000, zu den Beerdigungen 2000. Und die Archanioten sind Fonakladádes álla me agápi – Schreihälse, aber liebevolle.



Manolis Kalopsikakis mit Annette Windgasse und seinem Cousin Jorgos Kalopsikakis
im Restaurant 'Proedrio'.

Die Seite mit Informationen zu Archanes und Umgebung: www.pinakas.de